Zukunftssichernde Verwaltungsmodernisierung durch strategisches Personalmanagement unter Einsatz von Kompetenzmodellierung
Kurzfassung
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Christian Schachtner ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.). Er ist seit über 18 Jahren in der beruflichen Praxis im öffentlichen Sektor auf kommunaler und Landesebene entweder in Führungsverantwortung oder als zentraler Organisationsberater in Betreuung von Stabsstellenverantwortung aktiv. Er bildet an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern zukünftige Verwaltungsbeamte aus und betreut dort Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Government. Außerdem kennt er die praktischen Fragestellungen von öffentlichen Einrichtungen zu Themen wie Projektmanagement, Fördermittelakquise, New Work sowie Smart-City-Initiativen. Seine Expertise im Bereich der Verwaltungsmodernisierung bzw. personale Kompetenzfeststellung zur digitalen Transformation wurde bereits durch einen Staatspreis sowie mit Awards bzw. angenommenen peer-reviewed Publikationen bestätigt.
Expertise
- Strategisches Personalmanagement und transformative Arbeitsmethoden (New Work)
- Unternehmens- und Organisationsberatung im Public Management, insb. Smart City
- Change Management und disruptive Transformation sowie Trendanalyse und -prognostik
Interessant für
- Leiter*innen von Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen
- Forschungsinstitute, NGOs und Einrichtungen der Zivilgesellschaft
- Beratungsunternehmer*innen, Innovatoren/Querdenker und Changemanager*innen
Schlagworte
Gesellschaftliche Trends, Strategisches Personalmanagement, lernende Organisation im Public Management, systematisches Kompetenzmanagement, Disruptive Transformation
Zusammenfassung
Angesichts der Dynamisierung der Arbeitswelt werden Erwerbstätige in zunehmendem Maße gefordert, mit unvorhergesehenen Anforderungen und Fragestellungen umzugehen. Aufgrund dessen sind die Anpassungsleistungen, die von Erwerbstätigen heute gefordert werden, enorm und einem ständigen Wandel unterworfen.
Das eigenständige selbstverantwortliche Lernen gewinnt exponentiell an Bedeutung. Seit einigen Jahren werden auf EU-Ebene Ansätze zur Analyse und Identifikation von beruflich geforderten Kompetenzen diskutiert und verschiedene Programme zur Entwicklung geeigneter Instrumente gefördert. Mit der Idee zur Erarbeitung eines Kompetenzmodells und Einordnungsrasters für Bildungsmaßnahmen im tertiären Bildungssektor und dem anschließenden Inkrafttreten des Hochschulqualifikationsrahmens als Produkt dieser Überlegungen wurde die Basis gelegt, um wissenschaftliches Handeln mittels eines Instruments beschreibbar zu machen. Im Anschluss wurde auch ein Prozess zur Einordnung beruflicher Abschlüsse mittels des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen initiiert, der bis heute andauert. Neben formalen Qualifikationen gewinnt auch die Erfassung des non-formalen und informellen Lernens zunehmend an Bedeutung, womit die Umsetzung in den Mitgliedsstaaten in Form von nationalen Qualifikationsrahmen in den Fokus gerät. All diese Instrumente bedürfen jedoch im Sinne einer kontinuierlichen systematischen Verbesserung einem Review-Prozess unter Experten.
Im Hinblick auf aktuell prognostizierbare gesellschaftliche Trendentwicklungen wird Handlungsdruck nicht nur für Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für Einrichtungen des öffentlichen Sektors erzeugt. Der Auftrag von öffentlichen Einrichtungen der allgemeinen inneren Verwaltung umfasst einerseits die Aufrechterhaltung zur Sicherung des öffentlichen Raumes als aufsichtliche Behörde, anderseits muss der Anspruch sein, der Rolle des serviceorientierten Dienstleisters zur Beratung aller gesellschaftlicher Schichten und Gruppierungen entsprechend deren Anforderungen an die öffentliche Daseinsvorsorge gerecht zu werden.
Im Rahmen von explorativen Experteninterviews wurden daher Vertreter aus den Verwaltungs-, Wirtschafts- und Bildungswissenschaften aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands bzw. des deutschsprachigen Raums über die wesentlichen Einflüsse auf die Verwaltung bis ins Jahr 2030 befragt. Zur Validierung dieser Trenderhebung wurden die Ergebnisse mit Erkenntnissen der quantitativen Vollerhebung „Zukunftspanel Staat & Verwaltung 2016“ der Hertie School of Government in einen Quervergleich gebracht. Die Arbeit wurde nach einer Themeneingrenzung und Konkretisierung der Inhalte im Zeitraum von Anfang 2015 bis Mai 2017 erarbeitet, sodass zu berücksichtigen ist, dass der Stand von Aussagen über gesellschaftliche Entwicklungen in der Ausnahmesituation im Zusammenhang mit der politischen Flüchtlingskrise 2015 und zu der Zeit vorherrschender extremer Zuwanderung erfolgte. Zum Zeitpunkt der Erhebung war eine Lösung dieser Entwicklungen noch nicht absehbar, was Einfluss auf die Aussagen der Experten gehabt haben dürfte.
Die Aufrechterhaltung von Servicequalität erscheint entsprechend vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Trends nur durch motivierte und kompetente Mitarbeiter möglich. Die teils nur zögerlich vollzogenen Reformen im öffentlichen Sektor legten bis in die 2010er Jahre hinein den Fokus auf Bildung von wirtschaftlichen Kennzahlen ohne eine Mehrwert in der Umsetzung der gesellschaftlichen Anforderungen zu berücksichtigen. Die Änderung der Ausrichtung des Verwaltungshandelns zeigt sich nun langsam, indem der Fokus auf „Good Governance“, d. h. der Bedürfnisausrichtung der Bevölkerung gelegt wird. Diese Ausrichtung erfordert eine stark ausgeprägte Selbstorganisationsfähigkeit die agile Arbeitsmethoden erfordert und zeigt vielleicht die wesentlichste Charakteristik der künftigen Arbeitens, in dem es verschiedene starre Vorgaben in verschiedenen innerorganisatorischen Bereichen zu überdenken gilt. Beispielshaft hierfür steht die Anpassung tarif- und besoldungsrechtlicher Vorgaben, wobei die Stärken der Grundintention dieser Systeme nicht verloren gehen darf. Innerorganisatorische Anreize und Strukturen im Hinblick auf Flexibilität und Innovation gilt es anhand von wissenschaftlichen Modellen wie der lernenden Organisation zu diskutieren.
Da sich Wissensinhalte rasant verändern, sind auch Methoden und Strategien zum „ver-lernen“ bzw. „um-lernen“ notwendig geworden. Auch die Komplexität und Verflechtung von Privatleben und Berufstätigkeit erfordern neue Formen des Lehrens und Lernens. Hierbei ergeben sich Möglichkeiten der Kooperation von Unternehmungen und hochschulischen Einrichtungen in der Form, dass innerorganisationale Aus- und Weiterbildungsstrategien mit Methoden der Hochschuldidaktik verknüpft werden. Insbesondere kann so die Professionalisierung der Führungsebene unterstützt werden, um damit die Ausrichtung der Leitprozesse zukunftsfähig zu gestalten und kooperativ zu entwickeln.
Intention dieser Arbeit ist es, wissenschaftliche Ansätze zur Etablierung von Kompetenzmodellierung auf individueller und organisationaler Ebene im öffentlichen Dienst aufzuzeigen und passende Einsatzszenarien innerhalb der vorhandenen organisatorischen Strukturen zu diskutieren. Auch den Herausforderungen zur Bewältigung des Wandels und die daran anschließenden Frage nach Ansätzen zur Steigerung von Performanz im Rahmen der Entwicklung eines strategischen Personalmanagements, unter Beibehaltung von Werten und Stärken öffentlichen Dienstwesens, soll nachgegangen werden. Die Diskurse zu individueller und organisationaler Kompetenz in den Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften werden im Sinne eines interdisziplinären, praxisorientierten Forschungsverständnisses in die Erarbeitung von Lösungsansätzen einbezogen. Aus dieser anwendungsorientierten Sicht soll sowohl für behördliche, wie auch unternehmerische Managementmaßnahmen eine Sensibilisierung für die Einbindung von Kompetenzforschung erreicht werden. Darauf basierend soll eine Verbindung zur zielgerichteten Umsetzung der Analyseergebnisse von Kompetenzausprägungen in die Entwicklung entsprechender Bildungsangebote unter Einbeziehung didaktischer Methoden der Erwachsenenbildung hergestellt werden. Pilotprojekte aus der Praxis sollen so Impulse zur stärkeren Verzahnung der wissenschaftlichen Ansätze von Kompetenzforschung aus strategischem Management und Führungslehre mit Modellen aus der Bildungsforschung und Pädagogik setzen. Durch die Komplexität der Betrachtung des öffentlichen Auftrags und der anwendungsorientierten Thematisierung des besonderen Charakters des Public Managements kommt gleichzeitig die Vereinbarkeit des eigenständigen Forschungsfelds „Verwaltungswissenschaft“ gegenüber rechtswissenschaftlicher, wirtschaftlicher und soziologischer Betrachtung zum Tragen.
Mangels eines disziplinübergreifenden, integrativen Kompetenzmodells bestand die Herausforderung dieser Arbeit somit darin, alle Facetten der Kompetenzbetrachtung aus dem wissenschaftlichen Diskurs auf erste Empfehlungen zu einem übergreifenden, praxistauglichen Einführungskonzept zu transferieren. Um die erhobenen Trendprognosen von Experten, die aus Pilotprojekten wie dem „DAQkommunal“, welche Empfehlungen für das strategische Personalmanagement für Kommunen vorschlägt, und den wissenschaftlichen Theoriemodellen der verschiedenen Disziplinen zum Kompetenzmanagement auch eine Validierung im Hinblick auf Praxistauglichkeit dieser Empfehlungen für kommunale Dienststellen zu hinterfragen, wurde eine weitere Primärerhebung unter Führungskräften einer Beispielskommune durchgeführt. Als empirische Erhebungsmethode wurden Fokusinterviews mit teilstrukturiertem Interviewleitfaden über diese Themenfelder mit Führungskräften verschiedener Ebenen der Beispielskommune gewählt. Den Praktikern wurde so eine Einschätzung über für sie wesentliche Aspekte zur Einführung von Kompetenzfeststellung im Rahmen strategischer Personalentwicklung abverlangt. Ein Anspruch zur Entwicklung eines allgemein gültigen Referenzmodells zur Kompetenzbilanzierung für Kommunen generell kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Dennoch kann aufgrund der Vernetzung der Beispielsbehörde über einen überregionalen Qualitäts- und Innovationszirkel eine gewisse Aussagekraft in Hinblick auf vergleichbare Einrichtungen abgeleitet werden.
Anhand des diskutierten Anwendungsmodells werden schließlich einzelne anschlussfähige Methoden der Hochschuldidaktik sowie des Projektlernens beschrieben. Die Kooperation von Wissenschaft und Praxis in der Personal- und Organisationsentwicklung kann so fundiert dazu beitragen, die Trendwende in den Reformbemühungen zu Good Governance zukunftsorientiert auszugestalten. Gleichzeitig kann und muss die Eigenständigkeit der Profession öffentlicher Verwaltung transparent gemacht und die Bemühungen in die Gesellschaft transportiert werden.
Zitiervorschlag
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