Eine akademische Laufbahn mit Stipendium
Die OpenD-Redaktion hat Anna Axtner-Borsutzky, die während ihrer Promotion in der Neueren deutschen Literaturwissenschaft an der LMU München von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt wird, gebeten, ihre bisherige Erfahrung mit uns zu teilen. Hier berichtet sie über ihren Werdegang, ihren Weg zur Hanns-Seidel-Stiftung und darüber, was diese für sie besonders auszeichnet.Mein Name ist Anna Axtner-Borsutzky (28) und ich promoviere – gefördert durch ein Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung – über ein wissenschaftsgeschichtliches Thema im Fach Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der LMU München. Das Stipendium ermöglicht mir Freiraum für meine Forschung und zugleich Partizipation an einem interdisziplinären Netzwerk aus aktiven und ehemaligen Stipendiat*innen.
Dass ich promovieren möchte, wurde mir bereits in einer frühen Phase meines Studiums der Klassischen und Deutschen Philologie für Gymnasiallehramt klar – nicht nur, weil ich unglaublich Spaß daran habe, mein Wissen stetig zu erweitern und dabei neue Forschungsfelder zu entdecken, sondern auch, weil ich bereits im zweiten Semester das Glück hatte, als Hilfskraft „entdeckt“ worden zu sein. Dies bedeutet in meinem Umfeld nicht zwingend, vorgegebene Aufgaben abzuarbeiten, sondern zu lernen und am akademischen Alltag teilzunehmen. So hatte ich viel Zeit, das wissenschaftliche Umfeld intensiv kennenzulernen – und dabei von Anfang an Ratgeber*innen aus der Wissenschaft an meiner Seite, auf die ich mich auch heute noch uneingeschränkt verlassen kann.
Als ich die Hälfte meines Studiums abgeschlossen hatte, bin ich durch ein Hauptseminar zu meinem Doktorvater gelangt und habe daraufhin regelmäßig an den Lehrstuhlveranstaltungen teilgenommen. Bald war auch ich Teil des Lehrstuhls. Für den Abschluss meines Studiums habe ich im Zuge meiner Zulassungsarbeit für das Staatsexamen bereits mit dem Nachlass von Walter Müller-Seidel gearbeitet, über dessen nachgelassene autobiografische Fragmente ich nun auch promoviere. Der Nachlass liegt im Deutschen Literaturarchiv Marbach, wo beste Bedingungen zum Forschen vorzufinden sind.
Durch meine Abschlussarbeit hatte ich schon eine Vorstellung von meinem Promotionsprojekt, sodass ich gleich nach dem Examen nach passenden Promotionsfördermöglichkeiten gesucht habe. Ich entschied mich für die Hanns-Seidel-Stiftung, da ich nach eingehender Auseinandersetzung mit den Zielen und Anforderungen der Stiftung den Entschluss gefasst habe, dass sie am besten zu mir passt – und ich zu ihr. Dies hat sich auch in allen möglichen Facetten bewahrheitet. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut der Zusammenhalt unserer Stipendiat*innen ist, wie viele Mitstreiter*innen und Freund*innen ich dort gefunden habe.
Oft wird man als Stipendiatin der Hanns-Seidel-Stiftung gefragt, ob man sich denn nur in Bayern oder als CSU-Mitglied bei uns bewerben dürfe. Beides trifft natürlich nicht zu. Wir haben Stipendiat*innen aus ganz Deutschland und der ganzen Welt, die sich vor allem durch ein gemeinsames Werteverständnis, gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein und Zielstrebigkeit auszeichnen. Sich „politisch zu engagieren“ muss nicht zwingend heißen, sich „in der Politik zu engagieren“. Politisches Engagement ist immer auch gesellschaftliches Engagement – ein solches vorweisen zu können, ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung.
Ich persönlich habe bereits seit der Schulzeit in meiner Sportart – dem Dressursport – Kinder und Jugendliche ehrenamtlich trainiert und mich in den Vereinen engagiert, in denen ich Mitglied bin. Im Studium habe ich dann angefangen, einmal wöchentlich als Leserin des Lesefüchse e.V. als fester Bestandteil des Unterrichts einer Grundschulganztagsklasse vorzulesen. Dieses Ehrenamt ist unglaublich erfüllend und die Kinder freuen sich so sehr über die Abwechslung vom Schulalltag!
Die Seminare der Stiftung, die familiäre Gemeinschaft der Stipendiat*innen und die Möglichkeiten, die sich für mich dort ergeben haben, sind überwältigend. Als Stipendiat*innen erhalten wir die Möglichkeit, an Seminaren zu verschiedensten Themen teilzunehmen – historischer, kultureller, wirtschaftlicher, persönlichkeitsbildender und politischer Art. Viele der Seminare sind auf Kloster Banz, unserem eigenen Bildungszentrum. Andere finden auch als Europaseminare oder spezifische Städteseminare in beispielsweise Berlin, Bonn, Rom oder Weimar statt. In den Seminaren lernen wir nicht nur viel dazu, sondern vor allem uns untereinander kennen. Kaffeepausen und gemeinsame Abende befördern das Gespräch, sodass man immer wieder neue und interessante Leute kennenlernt oder sich mit alten Bekannten austauscht.
Neben den Seminaren wird jede*r Stipendiat*in bei uns einer Hochschulgruppe zugeteilt. Diese organisiert sich weitestgehend selbst, unternimmt gemeinsame Aktivitäten, tauscht sich aus usw. Als Hochschulgruppensprecherin organisiere ich Veranstaltungen und kümmere mich um die Mitglieder. Das ist mir sehr wichtig und macht mir dementsprechend großen Spaß!
Weiterhin gibt es bei uns ein Doktorand*innen-Netzwerk mit dem Namen docnet, dessen Vorstand aus vier Promotionsstipendiat*innen besteht. Seit zwei Jahren bin ich nun Teil dieses Vorstands. Wir organisieren gemeinsame Treffen und Ausflüge, stehen für Fragen bereit und versuchen, möglichst für alle Doktorand*innen und ihre Belange da zu sein.
In Verbindung mit docnet bin ich gewählte Vertreterin der Hanns-Seidel-Stiftung in der Promovierenden-Initiative – ein Gremium, das aus Vertreter*innen aller 13 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Werke besteht und bei dreimal jährlichen Treffen Fragestellungen und Probleme löst, die sich speziell für Stipendiat*innen ergeben – zum Beispiel einen Krankenkassenzuschuss, da Stipendiat*innen sich üblicherweise freiwillig versichern müssen.
Nicht zuletzt sei angemerkt, dass ich durch die Hanns-Seidel-Stiftung die Chance erhalten habe, am Karriereförderprogramm des Cusanuswerks Talente sichern – Zukunft gestalten teilzunehmen. Auch hier sind wir interdisziplinär aus allen 13 BMBF-geförderten Werken vertreten, was unglaublich spannend ist. Natürlich gibt es verschiedene Standpunkte, aber gerade, dass wir miteinander sprechen und arbeiten, bringt einen immensen Mehrwert hervor. Es geht dabei nicht nur um verschiedene Vorstellungen von Karriere und Familie, sondern auch um die Realisierung gemeinsamer Projekte. So habe ich beispielsweise für die diesjährig online stattfindende „Lesung gegen das Vergessen“ der am 10. Mai 1933 verbrannten Bücher von allen 13 Werken Leser*innen zusammengebracht. Damit haben wir ein Zeichen für Zusammenhalt über Parteien und Religionen hinweg gesetzt!
Die Hanns-Seidel-Stiftung fördert Engagements dieser Art, und ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen, dass es mir gerade durch diese Ämter möglich war und ist, mich besonders intensiv zu vernetzen und auszutauschen. Ich habe in dieser Zeit gelernt, einfach offen auf Menschen zuzugehen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ohne Mühe Kontakte zu knüpfen.
Doch nicht nur innerhalb der eigenen Stiftung und durch die Aufgaben mit den anderen Stiftungen profitiere ich persönlich und fachlich ungemein. Jüngst haben wir – damit meine ich Nachwuchswissenschaftler*innen aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen – ein Nachwuchsnetzwerk mit dem Namen Akademische Archive gegründet. Was als loser Zusammenschluss von untereinander bekannten Nachwuchswissenschaftler*innen begonnen hat, wuchs schnell durch weitere Kontakte der Beteiligten an. Seit einiger Zeit arbeiten wir nun als Nachwuchswissenschaftler*innen über ganz Deutschland verstreut zusammen an gemeinsamen Projekten, die uns durch unser Interesse an Archivarbeit und Wissenschaftsgeschichte verbinden. Wir präsentieren uns nicht nur gegenseitig unsere Forschungsprojekte, sondern veranstalten auch Workshops, die nach außen geöffnet sind und zur Diskussion einladen sollen – so zum Beispiel im November 2019 in Köln oder im März 2021 in München. Dieses Netzwerk gibt mir unglaublich viele Ideen und Zuversicht beim Blick in die Zukunft. Ich weiß, dass ich nicht nur alleine an meinem Schreibtisch forsche, sondern immer die Möglichkeit zum Austausch besteht.
Ich möchte unbedingt weiter in der Wissenschaft bleiben und habe bereits parallel begonnen, mein Postdoc-Projekt zu planen. Während der Promotion habe ich eine Liste mit Themen und Fragestellungen, die mich weiterführend interessieren, begonnen, sodass ich nun daraus schöpfen kann. Wissen weiterzugeben und in der Lehre den Studierenden zu zeigen, wie sie ihren Horizont erweitern können, zugleich selbst zu forschen, interdisziplinäre und internationale Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, sich mit Literatur, Kultur und Geschichte in all ihren Facetten auseinandersetzen zu können – das ist für mich die schönste Zukunftsvorstellung!