Karriereplanung – Denkst du heute schon an morgen?
Wer die Karriereplanung immer nebenbei mitdenkt, kann bei Weggabelungen bewusste Entscheidungen treffen, ist offener für neue Wege und geht nächste Schritte mit Überzeugung und Zuversicht.Die Dissertation ist endlich abgegeben. Lena kann es kaum fassen. Ihre Schultern fühlen sich auf einmal viel leichter an. Vier Jahre intensive Arbeit an einem Thema, eine Flut an Literatur bewältigen, Daten erheben, analysieren, interpretieren, der Fall in ein Motivationstief, verdeckte Auseinandersetzungen mit dem Betreuer, Flow-Phasen, in denen das Schreiben leicht fällt, die Aussicht auf ein Ende, durchhalten und schließlich die Abgabe.
Nach ein paar Wochen ist ein Teil der Leichtigkeit und Glückseligkeit verschwunden. Warum? Langsam taucht die Frage auf, wie es nun weiter geht. Lena will in der Wissenschaft bleiben. Das Projekt, in dem sie die Dissertation verfasst hat, läuft aus. Also heißt es wohl, eine Postdoc-Stelle finden.
Zwei Monate nach Lenas Disputation habe ich eine E-Mail von ihr in meinem Postfach. Lena schreibt, dass sie Sorgen hat, ob sie jemals eine Entfristung bekommen wird. Sie hat keine Lust, mehrfach umzuziehen oder zu pendeln, und vermutet, dass ihr Wissen außerhalb der Uni wertlos ist. Sie fragt: „Welchen Preis muss ich denn dafür zahlen, wenn ich alles auf die Karte ‚Professur‘ setze?“
Die Frage, wie realistisch es ist, eine Professur zu bekommen, stellt selten jemand
Da ich selbst promoviert habe und die To-do-Listen wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen kenne, bin ich nicht sonderlich überrascht, dass sich Promovierende über den weiteren beruflichen Verlauf häufig erst nach Abschluss der Promotion Gedanken machen. Der Soziologe Heiner Missen, der die Laufbahn junger Wissenschaftler*innen erforscht, stellte fest, dass berufliche Risiken einfach ignoriert werden. Nach mehreren Jahren Arbeitserfahrung innerhalb und außerhalb der Universität und in meiner jetzigen Tätigkeit als Coach hat sich mein Blick auf das Thema „strategische Karriereplanung“ verändert.
Warum Karriereplanung wichtig ist
Wirft man einen Blick auf die Statistiken, so wird deutlich, dass es wesentlich mehr Nachwuchsforscher*innen als frei werdende Professuren gibt. Laut Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (2017) ist die Zahl der Nachwuchswissenschaftler*innen an Hochschulen um 76% gestiegen. Demgegenüber ist jedoch der Anteil an Professuren gesunken. Wie wahrscheinlich es ist, eine Professur zu bekommen, ist aufgrund der derzeitigen Datenlage jedoch nicht valide berechenbar.
Natürlich gibt es auch abseits der Professur Möglichkeiten, wissenschaftlich zu arbeiten, wie an außeruniversitären Forschungsinstituten oder in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Unternehmen. Meiner Erfahrung nach sind Promovierende selten informiert, in welchem Kontext sie ihre Fähigkeiten darüber hinaus einbringen können. Und selten berücksichtigen sie, was ihnen Freude bereitet.
Aus diesem Grund habe ich hier für dich ein paar Tipps, was du tun kannst, um dir Zukunftssorgen zu ersparen und bereits während der Promotion deine nächsten Schritte innerhalb oder außerhalb der Wissenschaft strategisch zu planen.
Was du für deine nächsten beruflichen Schritte tun kannst
1. Erkenne deine Vorlieben
Während deiner Promotion führst du unterschiedliche Tätigkeiten aus: du präsentierst deine Forschungsergebnisse, verfasst Texte, konzipierst, unterrichtest, leitest Praktikant*innen an, recherchierst, sortierst und verhandelst. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden. Stelle dir doch einmal die Frage, welche Tätigkeiten dir besonders Spaß machen und leicht fallen; und welche weniger. Erkenne deine eigenen Vorlieben und ziehe daraus Schlüsse, wie dein zukünftiger Job aussehen sollte. Bringst du beispielsweise wissenschaftliche Ergebnisse anderen gerne näher, hast aber irrsinnig Stress dabei, Daten selbst zu erheben und auszuwerten, dann ist der Bereich der Wissenschaftskommunikation vielleicht ein interessantes Berufsfeld für dich.
2. Triff Entscheidungen bewusst
Du wirst in den nächsten Monaten deine Promotion abschließen und glücklicherweise bietet dir deine Betreuung an, dass du für weitere 2,5 Jahre in einem Projekt weiterarbeiten kannst. Willst du das wirklich? Was bringt dir dieser Job für deine nächsten Schritte? Willst du diese Zeit als finanzierte Übergangsphase nutzen und dich nebenbei um Alternativen kümmern? Oder strebst du eine Professur an und möchtest innerhalb des Projektes mindestens ein Paper in einem renommierten Journal veröffentlichen, dein Netzwerk erweitern und dein Forschungsprofil schärfen? Sei dir bewusst, warum du Verträge annimmst und was du innerhalb dieses Zeitraums erreichen willst. Mach nicht den Fehler und schiebe Entscheidungen über deine Karriereziele zeitlich hinaus.
3. Erstelle einen Plan A, B, C...
Gerade wenn du überlegst, nach der Promotion weiter in der Wissenschaft zu arbeiten: Mache dir auf alle Fälle einen Plan B. Halte die Augen offen für Vorbilder und berufliche Möglichkeiten außerhalb des Wissenschaftssystems, informiere dich über Tätigkeitsfelder, die deinem Profil inhaltlich entsprechen. Und ein Aspekt, der häufig vergessen wird: Bearbeite negative Glaubenssätze und Versagensängste. Wenn du proaktiv potenzielle Schritte eruierst, dann gehst du automatisch dem Gefühl der Perspektivlosigkeit, von dem mir viele Nachwuchsforschende erzählen, aus dem Weg.
4. Tausche dich aus
Die Karrierechancen in der Wissenschaft sind umkämpft. Deine Kolleg*innen sind deine direkte Konkurrenz. Mit deiner Betreuungsperson, die deine Doktorarbeit beurteilt, kannst du auch nicht über deine Unsicherheit bezüglich der weiteren akademischen Karriere oder alternativen Wege sprechen. Deshalb hast du das Gefühl, dass du mit deinen Sorgen alleine bist? Dabei ist gerade der Austausch mit anderen Menschen so wichtig. Auch in der Online-Welt gibt es bereits Möglichkeiten, sich Inspiration zu holen. Lass(t) uns doch ein Tabu brechen und über unsere Wünsche, Ziele und Pläne sprechen. Solange Verträge individuell ausgehandelt werden, sich betreuende Personen nicht für den weiteren beruflichen Verlauf ihrer Doktorand*innen zuständig fühlen und nur heimlich über einen Plan B gesprochen wird, wird der ‚Ausstieg‘ aus dem Wissenschaftssystem weiterhin als Scheitern gesehen. Das muss nicht so sein.
Wann hast du dich zuletzt um deine Karriere gekümmert?
Es geht nicht darum, starr an einem Plan festzuhalten. Da der Weg zur Professur ein großes Karriererisiko in sich birgt, ist es aber wesentlich, nicht die Augen zu verschließen, sondern sich mit Alternativen, die zu den eigenen Lebensvorstellungen, Stärken und Interessen passen, auseinander zu setzen. Wer die Karriereplanung immer nebenbei mitdenkt, kann bei Weggabelungen bewusste Entscheidungen treffen, ist offener für neue Wege und geht nächste Schritte mit Überzeugung und Zuversicht.
Halte den Blick für die Chancen offen. Denn Karriereplanung ist ein Prozess – genau wie die Promotion.