Rezept für einen erfolgreichen Förderantrag
Vier Zutaten, die dir zur Finanzierung deines wissenschaftlichen Projekts verhelfen.Früher war alles einfacher. Das mag nicht für alles stimmen, wohl aber für die Beantragung von Fördermitteln für Forschungsprojekte. So lautete ein erfolgreicher DFG-Forschungsantrag des späteren Medizin-Nobelpreisträgers Otto Warburg im Jahr 1921: „Antrag. Ich benötige 10.000 (zehntausend) Mark. Otto Warburg.“ Ganz so mühelos geht es heute leider nicht mehr zu. Umso wichtiger ist es, dass sich junge Forschende frühzeitig mit den Modalitäten der Antragstellung der verschiedenen Forschungsförderorganisationen auseinandersetzen. Denn die Einwerbung von eigenen Drittmitteln ist ein wichtiger Baustein in der akademischen Karriere. Dabei ist es völlig in Ordnung, klein anzufangen: Auch eine finanzierte Kongressreise zählt. Ein ganzer Fächer an möglichen Finanzierungstöpfen existiert auch für die Zeit nach der Promotion; mögliche Optionen reichen von der über die DFG finanzierte „Eigene Stelle“ über Stiftungsstipendien bis hin zu den Marie Skłodowska-Curie Fellowships der EU. Nimmst du dir die folgenden vier Hinweise zu Herzen, ist schon viel in Richtung Erfolg getan.
Verstehe die Spielregeln!
Der wichtigste Schritt ist, die Logik der jeweiligen Förderlinie zu verstehen. So unterscheidet sich ein EU-Antrag ganz wesentlich von einem DFG-Antrag. Eine Individualfördermaßnahme (wie ein PostDoc-Fellowship) ist mehr wie eine Bewerbung zu schreiben und hat mit einem großen Verbundprojektantrag kaum etwas gemein. Es reicht jedoch nicht, sich lediglich mit der Ausschreibung zum erwählten Fördertopf zu beschäftigen. Du solltest vor allem auch das jeweilige Begutachtungssystem verstehen, denn es kann von großer Bedeutung für das Verfassen des Antragstextes sein. So werden meist externe Gutachten von Fachexpert*innen eingeholt, anhand derer ein Ranking aller eingereichten Projektanträge vorgenommen wird. Die finale Entscheidung wird teilweise von einem breiter aufgestellten Gremium von Gutachter*innen oder einem Panel getroffen, deren Mitglieder möglicherweise weit entfernt von deinem individuellen Fachgebiet sind. Es wird besonders knifflig, wenn sich dein Projekt im interdisziplinären Bereich bewegt, denn die Begutachtungsstrukturen sind in der Regel disziplinär aufgebaut. Dein Antrag sollte all diese Zielgruppen begeistern können.
In Deutschland findet sich eine Vielzahl von Beratungsstellen und Trainingsangeboten für Antragsteller*innen, häufig angeboten oder organisiert von den Hochschulen. Für den Bereich der EU-Forschungsförderung gibt es die sogenannten Nationalen Kontaktstellen oder die Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen (KoWi), die kostenlose Unterstützung anbieten. Die Teilnahme an Informationsveranstaltungen zu den verschiedenen Fördertöpfen oder an Antragstellerwerkstätten ist sehr zu empfehlen und sollte zur guten Ausbildung im Rahmen einer Promotion gehören. Diese kleine Zeitinvestition zahlt sich später mit Sicherheit aus. Die beste Schule ist jedoch, selbst Gutachter*in zu werden: Der Perspektivwechsel wirkt Wunder.
Fazit: Verstehe die Förderlinie, identifiziere die (verschiedenen) Zielgruppen, die über die Förderung des Antrags entscheiden und schreibe deinen Antrag passgenau.
Gehe den Gutachter*innen nicht auf die Nerven!
Stell dir vor, du bist Gutachterin für ein internationales Fellowship. Es ist 23:45 Uhr. Morgen hast du einen vollen Tag im Institut und bis morgen Abend musst du noch vier Anträge bewerten. Sieben hast du schon durch und diesen einen wolltest du heute noch fertig machen. Die Sichtung dauert ewig, denn die junge Nachwuchswissenschaftlerin hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Du bist schon auf Seite vier und hast immer noch nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Du hast dich soeben durch einen ausschweifenden Stand der Forschung gekämpft, der wirr geschrieben ist und den Eindruck erweckt, die Wissenschaftlerin hat keinen genauen Überblick und versucht dies durch Textmasse zu kaschieren. Das Projekt fällt zwar in deinen Fachbereich, ist aber nicht dein Spezialgebiet. Der fachjargonlastigen Beschreibung des Projektdesigns kannst du trotz des Koffeinkicks der vierten Tasse Kaffee nicht folgen. Auch die Bedeutung der erwarteten Forschungsergebnisse bleibt dir schleierhaft. All das in einem gedrungenen Blocktext, der die vorgegebenen Seitenabstände maximal ausreizt. Das Englisch ist holprig. Die Antragstellerin scheint zwar kompetent zu sein und die Forschungsidee hat viel Potenzial, du hast aber auch den Eindruck, dass sie die Ausschreibung nicht richtig gelesen, sich wenig Mühe gegeben oder den Antrag kurzfristig mit heißer Nadel zusammengestrickt hat. Das ärgert dich – immerhin verbringst du viel Zeit mit dem Antrag – und obwohl du inhaltlich neutral bleibst, bist du bei der Bewertung besonders streng.
Dieser Fall ist natürlich überspitzt dargestellt. Fakt ist jedoch, dass das Peer-Review-Verfahren überlastet ist und Gutachter*innen häufig unbezahlt eine Vielzahl von Anträgen bewerten müssen. Tue den Gutachter*innen und damit dir selbst den Gefallen und lies die Ausschreibung mehrmals und genau, halte dich an alle Vorgaben, bring deine Forschungsidee auf den Punkt und schreibe kurzweilig (Stichwort: Storytelling!). Nutze Grafiken und Tabellen, um den Text aufzulockern. Gib den Gutachter*innen klare Argumente zur Hand, warum genau dein Projekt gefördert werden sollte. Und lass den Antragstext von vertrauenswürdigen und kompetenten Kolleg*innen einmal gegenlesen, bevor du ihn abgibst.
Fazit: Ein klarer, strukturierter Antrag mit präziser Sprache ist nicht banal. Im Gegenteil: Wenn man die Gutachter*innen begeistern kann (statt sie zu nerven), ist das die halbe Miete!
Ein guter Antrag braucht Zeit!
Ein Antrag muss reifen und Zeit haben, um aufzugehen wie ein Sauerteig. Hier ein bewährtes Rezept: Du beginnst sehr früh mit einer ersten Version, die alles andere als druckreif ist und für die du dich ein paar Wochen später in Grund und Boden schämen wirst. Diese schickst du einem oder mehreren Kolleg*innen aus deinem Fachgebiet, um dir inhaltliches Feedback zu deiner Forschungsidee und deinem Projektdesign einzuholen. Dann fällt dir ein, dass es ja konkrete Vorgaben des Fördermittelgebers gibt. Du überarbeitest den Antrag. Nun schickst du den neuen Projektantrag an den*die Forschungsreferent*in deiner Hochschule oder eine Beratungsstelle. Die so eingeholte Kritik muss sich erst einmal setzen. Unter Umständen findest du den Großteil der vorgebrachten Punkte ungerechtfertigt. Aber vielleicht hat diese*r Expert*in ja doch nicht ganz Unrecht? Vielleicht hast du deine Idee nicht gut genug erklärt und es liegt an deinen Formulierungen? Du brauchst eine mentale Pause. Dann schickst du deinem*deiner Promotionsbetreuer*in, der*die sich bereit erklärt hat, dir Rückmeldung dazu zu geben eine neue Version. Er*sie findet den Antrag gut. Nun hast du neuen Schwung, der Text ist aber leider noch drei Seiten zu lang. Nach einer Woche und jedem Formatierungstrick, den Word hergibt, hast du nur noch eine Seite zu viel. Beim Zähneputzen findest du das erste graue Haar im Spiegel. Am Ende siegt der Mut zur schlauen Lücke. Jetzt fehlt nur noch der sprachliche Schliff. Ein linguistisch hochversierter Freund hat fest versprochen, dir hier unter die Arme zu greifen. Leider meldet er sich nun seit zwölf Tagen nicht. Deine Nerven liegen blank. Da ist endlich seine Rückmeldung! Der finale Antragstext steht. Du findest die erste Version auf deinem Computer und schämst dich in Grund und Boden. Alles ist gut.
Fazit: Plane genug Zeit ein. Nein, noch mehr Zeit. Nein, es ist nicht übertrieben. Schon einmal von Hofstadters Gesetz gehört?
Was lange währt, wird endlich gut!
Die Konkurrenz um Forschungsmittel hat sich in den letzten Jahren verschärft und wird in absehbarer Zukunft noch anziehen. Zugleich stellt das erfolgreiche Einwerben von Drittmitteln einen Vorteil bei der Antragstellung um weitere Fördergelder dar (der berühmte Matthäuseffekt), ist aber auch ein wichtiges Bewertungskriterium bei der Einstellung von Forschenden und selbstverständlich auch bei Berufungsverfahren. Es führt also kein Weg daran vorbei und du brauchst einen langen Atem. Oft gehen Anträge beim ersten (oder zweiten oder dritten) Mal nicht durch. Dabei spielt auch Pech eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dann ist es hilfreich, sich auf die positiven Seiten zu fokussieren: Lerne von der Bewertung der Gutachter*innen und recycle den Antrag für ein anderes Förderprogramm oder eine neue Runde. Verfeinere deinen Antragsstil, vereinfache deine Sprache, entwickle deine Projektideen weiter. So wird dein Forschungsansatz klarer und strukturierter und schlussendlich auch deine Forschung besser.
Fazit: Verstehe die Förderlinie, halte dich an die Spielregeln, fang früh genug an, hol dir Hilfe, sei offen für Kritik, lass deine Projektidee reifen und mache es dem Gutachtergremium einfach. Dann bekommst auch du irgendwann deine „zehntausend Mark“.
Sehr zu empfehlende Lektüre:
Lamont, Michèle. How Professors Think: Inside the Curious World of Academic Judgement. Cambridge: Harvard University Press, 2009.
Pinker, Steven. The Sense of Style: The Thinking Person’s Guide to Writing in the 21st Century. London: Penguin Books, 2015.