Überlegst du noch oder promovierst du schon?

Die Ikea-Methode: Wie Stoffhunde und Duftkerzen mich dazu bewogen haben, eine Doktorarbeit zu schreiben.
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Wir stehen am Eingang von Ikea. Vor uns Grabbeltische voller Spielzeug, daneben Babytextilien. „Hund oder Bär?“, fragt mich meine Freundin Maja und hält mir zwei Plüschtiere unter die Nase. „Hund. Aber bist du dir sicher, dass mir das hilft?“ Maja nickt. Und hält mir zwei Babyschlafsäcke unter die Nase: „Blau oder braun?“

Ich habe keine Kinder. Und will gar nichts kaufen. Ich bin hier, um Entscheiden zu üben.

Eigentlich geht es um meine Promotion. Seit einiger Zeit treibt mich die Frage um, ob ich anfangen soll, eine Doktorarbeit zu schreiben. Dafür spricht das viermonatige Übergangsstipendium, das ich gerade bekommen habe. Dagegen das Vorstellungsgespräch für ein Volontariat bei einem ziemlich angesehenen Verlag, das ich in fünf Tagen führen könnte. Und ich, überfordert von den vielen Chancen, weiß einfach nicht, was ich will.

Training für den Entscheidungsmuskel

Maja ist keine Psychologin, aber trotzdem der festen Überzeugung, dass man Entscheidungen trainieren kann wie einen Muskel. Ihre These: Wenn ich mich warmlaufe, also ausreichend kleine und unwichtige Fragen entscheide, dann müsste mir der Endspurt, die große Entscheidung, doch ganz leicht fallen.

Deshalb also das Möbelhaus. Selbstredend mit dem kompletten Gang durch alle Ausstellungsräume. Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer, Badezimmer, Küche. Oder, in Majas Worten: „Stoff- oder Ledersofa?“ – „Geblümte oder karierte Kissen?“ – „Weißer oder verspiegelter Waschbeckenschrank?“ – „Holzverkleidung oder Front in Hellgrün?“ Nicht zu vergessen die Markthalle, in der die Fragen viel kleinteiliger und damit auch komplizierter werden: „Tiefe oder hohe Tasse?“ – „Duftkerze oder Teelichter?“ – „Gepunkteter oder gestreifter Vorhang?“

Ich antworte automatisch, ohne daran zu glauben, dass es wirklich hilft: Stoff, kariert, weiß, Holz. Das sind schließlich alles keine Sachen, die mein Leben wirklich verändern. Ich will einfach nur, dass diese Fragerei und die Höllenreise durch ein Möbelhaus an einem Samstagnachmittag endlich ein Ende haben.

Noch auf dem Weg nach draußen, zwischen zwei Glasscheiben der Schiebetür eingeklemmt, schmuggelt Maja die entscheidende Frage so geschickt hinein wie eine Mutter die Gurkenscheiben aufs Käsebrötchen ihres Kindes: „Promotion oder Berufsstart?“

„Promotion“, antworte ich fast automatisch, „das mit dem Berufsstart hat doch wirklich noch Zeit.“

Die Macht der Intuitionen

Damals war ich überrascht, wie einfach es dann doch war, eine so wichtige Entscheidung zu treffen. Das Erstaunen darüber hat bis heute angehalten, auch weil sich herausgestellt hat, dass die Idee mit der Promotion im Großen und Ganzen eine gute war. Seither treibt mich die Frage um: Was hat es mit der Ikea-Methode auf sich?

Ihr Erfolg, so vermute ich, liegt darin begründet, dass sie Bauchentscheidungen erzwingt. Und wenn stimmt, was der Psychologe und emeritierte Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Gerd Gigerenzer, in einem seiner Bücher schreibt, dann ist das eine gute Idee: Ihm zufolge bereuen wir intuitive Entscheidungen seltener als nicht-intuitive.

Plausibel ist das auch, weil Handlungen aus dem Bauch heraus keine naiven, keine beliebigen Handlungen sein müssen. „Intuition is recognition“ nannte der Sozialwissenschaftler Herbert Simon das. Der Satz besagt, dass bisher gemachte Erfahrungen unbewusst in Entscheidungsprozesse einfließen, auch wenn es für einen selber den Anschein hat als entscheide man völlig spotan.

Der Aufenthalt im Möbelhaus bot mir damals erst den Raum, mein Bauchgefühl als solches wahrzunehmen, auch wenn mir die verschiedenen Erfahrungen, die sich dahinter verborgen haben, nicht gänzlich bewusst waren.

Soll ich promovieren – ja oder nein? Wenn ihr euch das fragt, kennt ein Teil von euch die Antwort vielleicht schon. Es kommt nur darauf an, sie ans Tageslicht zu holen. Und manchmal kann Plüsch dabei helfen.