Der schmale Grat zwischen Inklusion und Stigmatisierung von gesundheitlich beeinträchtigten Menschen bei ihrer beruflichen Teilhabe
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Dr. phil. Veneta Slavchova hat an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) ihren Bachelor Psychologie und an der FernUniversität Hagen den Master Psychologie abgeschlossen. Es folgte ihre Promotion am Lehr- und Forschungsgebiet Gesundheitspsychologie (vormals: Berufliche Rehabilitation) der RWTH Aachen. Im Jahre 2021 promovierte sie mit summa cum laude. Im Rahmen ihrer Beschäftigung am Lehr- und Forschungsgebiet Gesundheitspsychologie ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation verschiedener Projekte im Gesundheits- und Sozialbereich betraut.
Aufbauend auf dieser Erfahrung hat sie zusammen mit Kolleg*innen eine Beratungsfirma im Bereich für Gesundheit und Rehabilitation gegründet.
Expertise
- (berufliche) Inklusion gesundheitlich beeinträchtigter Menschen
- Gesundheits- und Organisationspsychologie
- Methodenkompetenz (Studienplanung und -umsetzung, statistische Auswertung)
Interessant für
- Inklusionsforscher*innen
- Menschen ohne und mit gesundheitlicher Beeinträchtigung
- Arbeitgeber*innen
Schlagworte
Inklusion, Sozialpsychologie, Stigma, berufliche Teilhabe, gesundheitliche Beeinrächtigung, health impairment, inclusion, körperliche Behinderung, mental illness, physical disability, psychische Erkrankung, social psychology, stigma, vocational participation
Zusammenfassung
Gesundheitlich beeinträchtigte Menschen mit einer körperlichen Behinderung und/ oder psychischen Erkrankung haben einen gesetzlich zugesicherten Anspruch auf die gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft und Beruf. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, inwieweit entsprechende Gleichberechtigung in der Realität gelebt wird. Wird dieser Zustand erreicht, so spricht man von Inklusion im Sinne einer völligen Normalität von Vielfalt.
Sozialpsychologisch gesehen wird Inklusion jedoch durch Gruppenbildungsprozesse zwischen Menschen ohne und mit gesundheitlicher Beeinträchtigung erschwert. Solche Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse sind auch für den Arbeitskontext relevant und können damit die beruflichen Teilhabe körperlich behinderter und psychisch erkrankter Menschen erschweren.
Die Dissertation zielt in diesem Rahmen darauf ab, zu klären, welche Faktoren das Gelingen von Inklusion positiv oder negativ beeinflussen können. Zur empirischen Untersuchung der Thematik greift die Dissertation einen multiperspektivischen Ansatz in Form von sechs Studien auf.
Die Online-Studien A bis D beschäftigen sich mit der Wahrnehmung nicht beeinträchtigter Studienteilnehmer*innen hinsichtlich der Inklusion. Inhaltlich wurde beispielsweise die Bedeutung der Qualifikation gesundheitlich beeinträchtigter Bewerber*innen, die Vermittlung einschränkungsrelevanter Informationen, die Generalisierbarkeit der Inklusionsbereitschaft und die Relevanz des Offenbarungs- bzw. Kommunikationszeitpunktes bzgl. einer gesundheitlichen Beeinträchtigung überprüft. Aus methodischer Sicht wurde eine Mischung aus experimentellen Szenarien im Kontext der Personalauswahl, teststatistisch validierten Skalen zu inklusionsförderlichen (z.B. Motivation zu vorurteilsfreiem Verhalten) und inklusionshemmenden (z.B. Autoritarismus) Konstrukten umgesetzt. Um die Reaktionen der Befragten besser verstehen zu können, rundeten qualitative Abfragen das Bild ab.
Die Online-Studien E und F fokussierten auf das Erleben von Inklusion aus Sicht körperlich
behinderter und psychisch erkrankter Studienteilnehmer*innen. Damit die berufliche Inklusion hinsichtlich (Miss-)Erfolgsfaktoren genauer verstanden werden kann, rückten in den Studien E und F das soziale Netzwerk der Betroffenen sowie Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe für das Gelingen beruflicher Inklusion in den Fokus.
Als zentrales Ergebnis der Dissertation lässt sich festhalten, dass die Inklusion keine Selbstverständlichkeit ist. Vielmehr wird der Erfolg von Inklusion in jeder Interaktion zwischen gesunden und gesundheitlich beeinträchtigten Personen neu entschieden. Es zeigt sich, dass Menschen ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen nach wie vor Unwissenheit bzw. Unsicherheit bezüglich körperlicher Behinderungen und psychischer Erkrankungen haben. Dies umfasst beispielsweise Unklarheiten darüber, wie sich entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigungen konkret im Berufsalltag auswirken und wie der "richtige" Umgang ausgestaltet sein sollte.
Der größte Hebel zur Überwindung von Unwissenheit bzw. Unsicherheit sind passgenaue Informationen. Darüber hinaus spielt aus psychologischer Sicht die individuelle Haltung und Persönlichkeit beider Gruppen eine wesentliche Rolle für die Bewertung und das Gelingen des Inklusionsgeschehens. Auf Basis der entsprechender Ergebnisse werden Handlungsempfehlungen für gesunde und körperlich behinderte bzw. psychisch erkrankte Menschen abgeleitet.
Zitiervorschlag
Repository
publications.rwth-aachen.de/Identifikatoren
■urn:nbn:de:101:1-2022020102430338409532
■doi: 10.18154/RWTH-2022-00276